Die Einengung auf den Beutetrieb und ihre Auswirkung

 

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Zerrspiel
Foto: Freepix.com

In der Rettungshundearbeit setzen wir heute eine Vielzahl verschiedener Hunderassen ein. Die eine Rasse wurde zum Hüten und Schützen, die andere zum suchen von Wild, wieder andere Rassen zum apportieren gezüchtet. Dies lässt nur den einen Schluss zu, dass in der Rettungshundearbeit den domestikationsbedingte Verhaltensweisen der einzelnen Rassen in der Ausbildung Rechnung getragen werden muss. Leider bilden nach wie vor sehr viele einseitig und nur über den Beutetrieb (durch Verwendung einer Beisswurst) aus. Diese Reduzierung auf ein einziges Triebbild in der Ausbildung kann zu schwerwiegenden Fehl-Situationen führen.

Betrachten wir einen zum Rettungshund auszubildenden Jagdhund. Dieser Hundetyp wurde gezüchtet, um Wild zu suchen. Es liegt in der Natur solcher Rassen, dass sie mit hoher Ausdauer suchen und finden. Der Mensch hat diese domestikationsbedingte Verhaltensweisen in den Hund hineingezüchtet. In der Rettungshundearbeit werden beim Junghund diese Eigenschaften genutzt. Statt eine Ente oder ein Reh zu suchen, sucht er jetzt einen Menschen.

Bei unseren Jagdhunden gibt es Rassetypen, die nicht besonders gerne spielen und schon gar nicht mit Kraft in eine Beisswurst beißen wollen, sich aber über ein Leckerli sehr stark motivieren lassen. Jagdhunde sind so ziemlich verfressen. Was spricht eigentlich dagegen, einen solchen Hund überhaupt nur über ein Leckerli aufzubauen?

Der Widerstand traditionell verfangener Ausbilder:

Traditionell verfangene Ausbilder, die ihre Grundkenntnisse zumeist in den Hundesportvereinen erlangt haben, leisten erbitterten Widerstand, wenn es um alternative Motivationsformen geht, und können sich nicht an die domestikationsbedingte Änderungen der Rassen anpassen. Das liegt besonders darin begründet, dass sie sich meistens nur auf eine Rasse fixiert haben. Hundeausbildung fordert Kommunikation und Interaktion, also den aktiven Umgang mit dem einzelnen Hund. Dies bedeutet, dass sich der Ausbilder auch mit den Rasse auseinandersetzen muss, die er ausbildet. Wenn solche Ausbilder z.B. einen Weimaraner über die Beisswurst ausbilden, kann das ein Schuss nach hinten sein. Der Hund kann durch das heftige Beissen in die Beisswurst sehr aggressiv werden. Der Weimaraner ist einer der wenigen Hunde, welche sowohl für die Jagd als auch zum Schutz gezüchtet worden sind, und daher sehr gegen Fremde sehr aggressiv werden kann (Vermisste Person =Fremdperson). Dieser Hundetyp sollte entweder nur als Bringsler oder mit Futter ausgebildet werden. Solche Rassen neigen ( wie übrigens auch der Rodhesian Ridgeback) besonders zum Einmannhund und daher ist er Fremden gegenüber sehr skeptisch.

Beutemotivation

Die Beutemotivation wird in der Regel durch Zerrspiele  aufgebaut. Der Hund beisst in die Beisswurst hinein und der Ausbilder oder der Hundeführer bzw. die Versteckperson zerrt an dieser Beißwurst. Der Hund will sie aber behalten und nicht wieder hergeben. Aus dem hundischen Verständnis heraus entsteht folgende Situation: Er wird gezwungen um seine Beute zu kämpfen, dies gilt es zu verteidigen, weil der Mensch sie ihm streitig macht. Das Zerrspiel geht solange, bis der Ausbilder, Hundeführer oder die Versteckperson die Beute loslassen. Der Hund geht als Sieger hervor und wird im Laufe der Zeit sehr stark. Wenn wir uns mit den Begriffen Verteidigung oder auch Kampf auseinandersetzen, so haben wir es immer mit Aggression zu tun. Und genau das bringen wir dem Hund bei. Damit erreicht der Ausbilder lediglich, dass der Hund zur Versteckperson eine negative Beziehung aufbaut. Die Versteckperson hat meine Beute, um die ich wieder kämpfen muss. Der Hund wird die Versteckperson zwicken oder bedrängen und das solange, bis er seine Beute wieder hat. Gefördert wurde in der Ausbildung sehr häufig die beutemotivierte Aggression, die im Ernstfall zum gleichen Verhalten gegenüber hilfsbedürftigen Personen führt, die gesucht werden.

Der Flächensuchhund

Rettungshunde sind keine Schutzhunde, auch das sollte man sich vergegenwärtigen, wenn Rettungshunde mit der Beisswurst ausgebildet werden. Ausbilder, die diese Situation als „starken Opfer-Drang“ bezeichnen, kann nur nahe gelegt werden, sich intensiver mit den ethologischen Grundlagen auseinander zu setzen.

 

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Rettungshundeeinsatz 1998, Suche nach einer männlichern Person
 

Die Futtertechnik

Ich habe die Futtertechnik sowohl bei vielen Jagdhunderassen als auch speziell bei sehr drangvollen Schutzhunden und Hütehunden mit Erfolg angewandt und bin dafür von den Hunden mit guter Leistung und einem aggressionsfreien Verhalten beim gefundenen Opfer belohnt worden. Kommt der auszubildende Hund zur Versteckperson, wenn er sie

gefunden hat, und erhalt er ein Leckerli, so baut der Hund einen freundlichen Kontakt zur Versteckperson auf. Weil er eine ihm angenehme Erfahrung macht (Positive Konditionierung). Es ist geradezu auffällig, dass generell Hunde, welche über den Futtertrieb oder über das Bringseln aufgebaut wurden, sogar ein zu Beginn der Ausbildung noch vorhandenes aggressives Verhalten systematisch abbauen und freundlich sowohl zum Menschen als auch zu ihren Artgenossen werden. Dies ist der Beweis, dass auch beim Hund die Liebe durch den Magen geht. Futter als Belohnung und beruhigender Abschluss einer Aktivitätskette ist auch ein vorherrschendes Prinzip beim genetischen Urvater unserer Hunde, dem Wolf.

Versetzen wir uns einmal in eine solche Aktionskette:

Unser Wolf wacht nach seinem Schlaf auf. Er hat Hunger. Er lauft los, findet die Spur eines Rehs. Er verfolgt die Spur mit steigender Aufregung , findet das Tier und greift es in höchster Aggression an. Dann stürzt er sich über sein Futter und mit dem Fließen der Magensäfte und dem Abklingen des Hungers kehrt seine innere Ruhe wieder ein. (Biologischer Funktionskreis)  

Futter ist damit ein sehr starker Abschluss einer aggressiven Aktivitätskette. Wenn wir bei unserem Hund Futter einsetzen, haben wir damit gleichzeitig ein wirkungsvolles Signal fur den Abschluss von Aktivität, Aggression und Aufgeregtheit gesetzt; wir legen den Schalter um. Das erreichen wir nicht, wenn wir mit dem Hund kämpferisch weiterspielen. Sogar das spielerische Kämpfen und Balgen um eine Beisswurst oder um ein Spielzeug macht die meisten Hunde aggressiver und damit auch weniger geeignet zum Rettungsdienst. Wenn schon unbedingt mit Beisswurst oder Spielzeug gearbeitet wird, so empfiehlt sich, diese Gegenstände dem Hund zur Belohnung ohne jeden Kampf und Balgerei, aber mit deutlich lobender Stimme zu übergeben. Der Hund trägt dann diese Beute mit Freude und mit Ruhe nach Hause. Selbstverständlich darf diese innere

Ruhe des Gewinners (als der sich der Hund jetzt empfindet) nicht mehr durch ein weiteres Spielen oder Raufen mit den Akteuren gestört werden. Seine deutliche Belohnung hat der Hund bereits in Form der Übergabe der Beisswurst oder des Spielzeugs durch die Versteckperson fur sein erfolgreiches Auffinden erhalten. Es wird höchste Zeit, dass sich die Traditionalisten endlich dazu durchringen, psychologisch außerordentlich günstige Abläufe in der Ausbildung anzuwenden und nicht immer auf Beisswurst/Beute- oder Spieltrieb fixiert sind.

 

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