Das lautlose Vokabular der Pflanzen

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Pflanzen verfügen über alle Merkmale die es braucht, um Leben zu ermöglichen. Da wären: die Bewegung, Reizbarkeit, Fortpflanzung, Erbwandel (Evolution), Energie- und Stoffwechsel. Fehlt eins dieser Kennzeichen, ist kein Leben möglich. So haben Viren zum Beispiel keinen Stoffwechsel, also sind sie keine Lebewesen; Bakterien schon. Pflanzen wurden einfach zur Kenntnis genommen, man konnte sie auch nicht übersehen, denn sie standen überall in der Gegend herum und wurden geringgeschätzt. Das ist heute vielfach noch so. In der Amtssprache / Beamtendeutsch zum Beispiel, kommt das Wort Baum nicht vor. Dort nennt man einen Baum „Raumübergreifendes Großgrün“. 

In den letzten Jahrzehnten wurde einiges über die Kommunikation der Pflanzen herausgearbeitet. Dass sie keine Nervenzellen haben weiß jeder, auch dass sie kein Gehirn besitzen und nicht reden können. Lange galt die Theorie, dass Pflanzen zu so komplexen Sinnesleistungen wie Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Fühlen, nicht in der Lage sind. Hightech-Instrumente brachten aber die Leistung der Pflanzen an den Tag und es kam zu einem Paradigmenwechsel. Die Wissenschaftler kamen zu der Erkenntnis, dass gerade der, der am Boden festgewachsen ist, erst recht erfassen muss, was um ihn herum geschieht.

Kommuniziert wird über Phytohormone, das sind pflanzliche Hormone bzw. Duftstoffe. So ein Hormon ist zum Beispiel Ethylen. Wenn ein Apfel heranreift, gibt er bei dem Reifeprozess Ethylen frei. Dies erreicht alle nahe liegenden Äst und dort hängende Äpfel nehmen das Signal auf und beginnen zu reifen. Das setzt sich immer weiter fort, bis alle Äpfel reifen. Das stellt sicher, dass alle Äpfel etwa zur gleichen Zeit süß werden, um so möglichst viele Tiere anzulocken, die die Äpfel fressen und die Kerne im Gehäuse bei ihrer Wanderung verbreiten. Einen ähnlichen Vorgang erkennt man im Herbst, wenn die Herbstfärbung einsetzt. Ein Blatt verfärbt sich und gibt Ethylen ab, welches von anderen Blättern erfasst wird und diese daraufhin beginnen, sich auch zu verfärben. Dieser Vorgang setzt sich immer weiter fort, bis ein bunter Herbstwald zu sehen ist.

Es gibt Pflanzenhormone die dem Schutz der Pflanzen vor Fressfeinden dienen. Ein gefundenes „Fressen“ für den Kohlweißling ist der Rosenkohl. Dieser Schmetterling heftet mit einem speziellen Kleber seine Eier an ein Blatt,  das als Nahrung seiner Raupen dient. Sensoren des Blattes analysieren eine bestimmte Substanz des Leimes und schlagen Alarm. Darauf hin verströmt der Rosenkohl einen Duft, der Schlupfwespen anlockt, die natürlichen Feinde des Kohlweißlings. Die Wespen legen ihrerseits Eier in die Brut des Schmetterlings. Sobald die Wespenlarven schlüpfen, fressen sie die Wirte von innen auf.

Ein weiteres Beispiel der Duftstoffe sind die Aromen der Blüten, die ganz bestimmteInsekten anlocken, damit die Blüte bestäubt wird. Sie ist der wichtigste Teil der Pflanze, da hier die Samen produziert werden. Gleichzeitig produziert die Blume Monoterpene (ätherische Öle), um sich vor Fressfeinden zu schützen, denen ziemlich schnell, weil nicht appetitlich, der Appetit vergeht.

Schon Darwin glaubte, dass die Wurzeln eine größere Bedeutung haben, als nur die Pflanzen im Erdreich zu festigen. Sie besitzen die Fähigkeit ihre Spitzen durch das Erdreich zu schieben wie ein Wurm, um die Umgebung zu erkunden und nach Wasser und Nährstoffe zu suchen. Wissenschaftler vermuten, dass die Wurzeln im Boden ihre Umgebung belauschen und sogar mit weiter entfernten Pflanzen kommunizieren. Viel weiß man darüber noch nicht, aber auf Ergebnisse darf man gespannt sein.

Was man weiß ist, dass die Wurzel Klickgeräusche von sich gibt. Dies konnte man mittels eines Mikrofons festhalten. Wird eine Wurzel beschallt, etwa in einem
Frequenzbereich von 200 bis 300 Hertz,
registriert sie Töne und wechselt die Wuchsrichtung hin zur Schallquelle.

Viel wichtiger als die Schallwellen im Boden ist das Licht. Jeden Tag aufs Neue signalisiert es den Pflanzen wann der Tag beginnt. Damit löst es ein Spektakel aus, das der Vegetation  und somit allen Lebewesen das Überleben sichert.

 Seit Abermillionen Jahren trotzen sie der Zeit und jedem bislang dagewesenen Klimawandel. Sie erkennen Frühjahr und Herbst, Tag und Nacht. Nur das Licht und die Temperatur sind ihr Uhrwerk, mit der sie mit großer Genauigkeit arbeiten. Selbst dem heutigen Klimawandel passen sie sich an. Frühjahrsblüher wie Krokusse oder Forsythien blühen bis zu drei Wochen früher, als noch vor wenigen Jahren. Die Tage werden nicht länger, aber die Temperaturen steigen.

Die Pflanzen verständigen sich miteinander und unterstützen sich gegenseitig. Noch lange nicht haben die Wissenschaftler alle Geheimnisse der Vegetation gelüftet. Niemand weiß, ob es eine Sinnes- oder Reizverarbeitung gibt und mit dem Stand der heutigen Technik wird man es auch nicht erfahren. So erinnern uns die Pflanzen daran, dass der Mensch nicht die Krone der Schöpfung ist, sondern nur eine von vielen Möglichkeiten, den evolutionären Fortschritt zu begleiten.

Weil dem so ist, hat die Schweiz rein vorsorglich „die Würde der Pflanzen“ in ihre Bundesverfassung aufgenommen.

 

 

Dieses Licht besteht aus Spektren verschiedener Wellen die zwischen 780 nm und 380 nm liegen und umfassen die Farben rot, orange, gelb, grün, blau, indigo und violett. Die Pflanzen verfügen über Lichtdetektoren, womit sie diese Wellenlängen erfassen. Anders als beim Menschen, wo sich der Empfang des Lichtes rein auf die Pupille konzentriert, sind die Pflanzen mit diesen Detektoren überzogen.  Damit registrieren sie sowohl die Dauer des Lichteinfalls, wie auch die Richtung, aus der die Strahlung kommt und das äußerst präzise. Gut zu erkennen ist es bei den Bäumen an den Außenblättern der Krone, die sich, soweit möglich, mit dem Gang der Sonne drehen, um so als Sonnensegel so viel Energie mitzubekommen wie möglich. Mit dieser Energie werden alle Reaktionen in der Pflanze in Gang gesetzt, von der Photosynthese bis hin zu chemischen Reaktionen, bei denen bestimmte Substanzen, wie Phytohormone, synthetisiert werden.

 

 

 

 

 

Fotos: pixabay.com

 

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