Naturnahe Waldbewirtschaftung
„Willst du den Wald bestimmt vernichten,
so pflanze nichts als reine Fichten“
Im Roggenburger Forst in Bayern tobte 1920 ein gewaltiger Orkan, der 150.000 Festmeter Sturmholz hinterließ. Das war so eine große Menge, dass man sich entschloss, vor Ort zwei Dampfsägewerke zu „installieren“, um das Sturmholz aufzuarbeiten. Auf dem Sockel eines Sägewerkes hatten die Forstleute eine Mahntafel montiert mit obigem Zitat.
Keine Baumart steht heute so in der Kritik wie die Fichte und ihre Monokulturen. Der natürliche Standort der Fichte sind die skandinavischen oder baltischen Wälder, wo sie das Waldbild der Taiga prägt. In Deutschland wäre sie maximal im Hochschwarzwald zuhause, also ab etwa 800 Meter über NN, wo sie natürliche Reinbestände bilden kann. In nasskalten Tälern oder im Randbereich von Hochmooren wäre ein Standort auch noch denkbar.
Wie aber kam es zu der flächendeckenden Ausbreitung in Deutschland?
Begonnen hatte es schon im Jahre 1423 im Stadtwald von Frankfurt. Dort war die erste urkundlich belegte Aussaat von Fichtensamen und der erste Ort außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes. Nach und nach wurden es immer mehr Fichten, die dort wuchsen wo einst Laubbäume standen. Die Überlegung irgendwann wieder zu den Laubholzarten zurück zu kehren war da, es wuchsen aber nicht nur die Fichten, sondern auch die Städte und so geriet die Überlegung schnell wieder in Vergessenheit.
Im 17. – 18. und 19. Jahrhundert waren die deutschen Wälder völlig devastiert durch Brennholz- und Bauholznutzung, sowie für die Herstellung von Holzkohle. Da etwas für die Wiederaufforstung geschehen musste, besann man sich auf die Fichte mit ihrem Potential. Überall wo Laubwälder standen, wuchsen Fichten. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts erkannten die Fachleute, dass diese „Fichtenäcker“ Risiken aufwiesen. Sie waren, und sind es noch, sturmanfällig und recht empfänglich für Schadinsekten. Die fortschreitende Industrialisierung ließ keine Wahl. Nach großflächigen Kahlschlägen wurde mit der Fichte aufgeforstet. Im 20. Jahrhundert wurde der Wald als Folge zweier Weltkriege nochmal richtig geschunden. Die alliierten Besatzer schlugen als Reparationshiebe großflächig die schönsten und wertvollsten Waldbestände nieder. Insbesondere die Niederlande und England exportierten ihre Beute nach Hause, um ihre Kriegsschäden zu beheben. Wieder musste schnell gehandelt werden um eine Aufforstung zu ermöglichen. Wieder besann man sich „der ins Geld fallenden“ Fichte. Nicht umsonst nannte man sie den „Brotbaum“.
Es sollte sich rächen. Sicher haben Ereignisse aus jüngster Vergangenheit gezeigt, was es bedeutet, kommerzielles Denken in der Natur zu verwirklichen. So sind die jährlichen Hochwasserkatastrophen am Rhein und seinen Nebenflüssen ein Zeichen dafür, dass die Natur nicht „kanalisiert“ werden kann. Orkane wie „Wibke“, „Lothar“ und „Kyrill“ zeigten, was die Natur von destabilisierten ökologischen Kreisläufen hält, von schnellwachsenden Baumarten mit kurzen Umtriebszeiten, auf nicht standortgerechten Böden. Nur ein Umdenken und Maßnahmen, altbewährtes wieder einzuführen, können Abhilfe schaffen.
Diaschau, Fotos: Walter Bieck
Auf- und ausgeräumte Wirtschaftswälder gehören der Vergangenheit an, denn das Betriebsziel der Forstwirtschaft ist eine naturgemäße Bestockung bei dennoch nachhaltiger Nutzung. Das ist zumindest der Vorsatz und sollte es funktionieren wird es sich Jahrzehnte hinziehen bis sich eine Renaturierung ergeben hat. Wir müssen zurück zur Natur, weg von Monokulturen auf nicht geeigneten Böden und wir sind auf dem richtigen Weg. Große Kahlschläge wie sie in den 1970er und 1980er Jahren praktiziert wurden, sind Vergangenheit. Wurden sie mit der Fichte aufgeforstet, stehen wir wieder am Anfang.
Es geht bei dem Prozedere nicht darum, die Klimaerwärmung zu stoppen, was unmöglich ist, sondern klimastabile Wälder zu erhalten. Das Cluster Wald und Holz ist der größte Arbeitgeber in Deutschland mit 1,2 Millionen Arbeitnehmern und einem Jahresumsatz 170 Milliarden Euro. Der wirtschaftliche Aspekt muss bei allen Maßnahmen berücksichtigt werden. Folglich brauchen wir neue, „lohnende“ Baumarten bei der Aufforstung, die dem Druck der Erwärmung standhalten. Unser Waldbild, wie wir es kennen, wird sich verändern. Es werden auch fremdländische Baumarten eingeführt werden, so wie man es auf den Versuchsflächen des „Kölner Waldlabors“ erkennen kann.
Der heutige Holzbedarf wird durch eine Selektiventnahme der gewünschten Holzart gedeckt. Es werden vereinzelte Bäume, die ihre Hiebsreife erlangt haben, oder forstlichen Kriterien entsprechen, auf einem großflächigen Waldgebiet entnommen. Dabei entstehen mehr oder weniger große Lücken im Kronenbereich. Licht, das als Minimumfaktor in den unteren Bereichen des Baumbestandes vorhanden war, kann tiefer eindringen und wachstumsfördernd sowohl auf das Junggehölz wie auch auf die bodenbedeckende Begleitflora einwirken. Die Konkurrenz der Pflanzen beginnt schon beim Auskeimen und schnellwachsende Baumarten nutzen das Licht und verdrängen so langsamer wachsende Pflanzen. Der Vorteil dieser Bewirtschaftungsart sind Einsparungen bei kostenintensiven Neupflanzungen und eine Artenvielfalt, die den Standortsansprüchen entspricht. Mischwälder werden gefördert, wobei die pflegende Hand des Försters nicht unerheblich ist, denn es gilt einen großen Wirtschaftszweig aufrecht zu erhalten.
Nur in den Naturwaldreservaten in Nordrhein-Westfalen oder in den Bannwäldern Bayerns oder in Baden-Württemberg wird der Wald sich selbst überlassen. Bei diesen handelt es sich um Waldgebiete, die nur der „Forschung“ zugänglich sind und bei denen man von Wald sprechen kann. Der Begriff Wald leitet sich aus dem germanischen Sprachraum ab und bedeutet „ein Gelände“, das nicht der Kultur unterworfen ist. Dieser Wald zeichnet sich durch einen hohen Totholzanteil aus, sowie einer artenreichen Pflanzengesellschaft und einer stabilen Biozönose.
Die naturnahe Bewirtschaftung ist hingegen darauf ausgerichtet, den Holzvorrat und Holzbedarf in der Zukunft zu decken und Arbeitsplätze zu sichern. Während bei den großflächig angelegten Monokulturen die Entwicklungsphase des Waldes ganz bewusst gesteuert wurde, tritt dies nicht mehr in dem Maße in den Vordergrund.
Als Effekt zeichnet sich ein mehrstufig aufgebauter Wald, der Femel- oder Plenterwald, aus. Plenter leitet sich aus dem germanischen Wort „bland“ ab, was soviel wie mischen bedeutet. Der auf diese Weise entstandene Wald ist mit Bäumen verschiedenen Alters und Arten gemischt. Der Plenterhieb fördert so eine ständige Verjüngung der Baumarten, die den Standortansprüchen gerecht werden. Die forstlichen Maßnahmen beschränken sich auf den Erhalt der stufigen Aufbauform, Förderung gut veranlagter Bäume und flächendeckende Verteilung der Zuwachsträger.
In Altbeständen, die diesem Betriebsziel noch nicht entsprechen, werden nach Durchforstungsmaßnahmen Neupflanzungen vorgenommen, das heißt, sie werden unterbaut, um auch hier den stufigen Charakter zu erreichen. Windwurfflächen werden mit Baumarten aufgeforstet, die den besonderen Belastungen der Umwelteinflüsse widerstehen können. „Stabilität“ ist ein weitgefaster Begriff, den es auch bei dem Betriebsziel „naturnahe Waldbewirtschaftung“ nur bedingt geben kann. Viele abiotische Faktoren wirken auf unsere Wälder ein und stören natürliche Regelkreise. Auch wenn man sich im Immissionsschutz einig ist, dass keine Schädigung der Bevölkerung entsteht, wenn Grenzwerte eingehalten werden – was dahingestellt bleibt – so wird doch die Vegetation auch bei Werten unterhalb der rechtlich vorgegebenen Immissionsgrenzwerte geschädigt. Die natürlichen Kreisläufe müssen jede
Einwirkung von außen verarbeiten. Da Mischwälder widerstandsfähiger sind als Monokulturen ist die naturnahe Bewirtschaftung schon ein Schritt hin zum gesunden Wald, in dem sich Schädlingskalamitäten selbst regulieren können und Stürme nur geringe Schäden anrichten können.
Das eingangs erwähnten Schild mit dem Zitat wurde vor ein paar Jahren ergänzt mit dem Satz:
„Willst du deinen Wald erhalten,
so lass auch die Natur gestalten.“
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Totholz lebt
m Allgemeinen versteht man unter Totholz abgestorbene Bäume oder Teile davon, die maximal noch einen Heizwert haben. Durch den Brennholzboom werden auf diese Weise hohe ökologische Werte (Biotopbäume) aus dem Wald....
Kopfbäume als Lebensraum
Schon die alten Römer wussten, das manche Baumarten aus ihrem Stock neu austreiben und zu kuriosen Gebilden heranwachsen können. Diese Fähigkeit machten sich die Menschen zunutze, um Heizmaterial und Rohstoffe zu gewinnen.
Wald – seine Potenziale
Unsere Wälder verfügen über viele Potentiale, die sie zu dem machen, was sie sind, Ökosysteme. Diese Potentiale sind gar nicht hoch genug einzuschätzen und doch erkennt man sie erst beim zweiten Hinschauen.